Corona-Deutschland im digitalen Dilemma

Mal wieder macht uns China digital was vor: Während in Deutschland und Europa noch großenteils der Lockdown Hochkonjunktur hat, verbucht China für 2020 trotz Corona signifikantes Wirtschaftswachstum. Längst werden wieder Messen und andere Veranstaltungen ermöglicht, das öffentliche Leben wird schon seit geraumer Zeit kontrolliert wiederermöglicht. Wie sieht es bei uns dagegen aus? Eine kontrastreiche Gegenüberstellung.

Als Mitte 2020 mit vergleichsweise großer medialer Unterstützung die offizielle deutsche Corona-Warn-App den Weg in viele deutsche Smartphones fand, wurde auch in Deutschland skizziert, was in China schon bekannt war: Digitalisierung, d. h. in diesem Fall die Nutzung orts- und personenbezogener Apps zur Nachverfolgung von Infektionsketten, kann dabei unterstützen, den Weg aus der Pandemie zu finden. Hätte jeder Bundesbürger die App installiert, würde jedes Testergebnis über die App übermittelt und würde jede bestätigte Infektion in die App eingetragen: die Gesundheitsämter würden eine massive Entlastung erfahren.

Was passiert stattdessen im Land der „German Angst“ und des vielfach gelobten Föderalismus?

  • Die Corona-Warn-App wurde zwar mit beachtlichem technologischen (und somit auch finanziellen) Aufwand DSGVO-konform gestaltet. Dennoch gab es anschließend in Deutschland zahlreiche Bedenkenträger, die der App die Möglichkeit der Erstellung von Bewegungsprofilen oder der Weitergabe persönlicher Daten nachsagten. Stand Februar 2021 haben immerhin 25 Mio. Nutzer die App heruntergeladen. Optimalerweise also fast ein Drittel der Deutschen, die tatsächlichen Nutzungszahlen sind sehr wahrscheinlich geringer. Schade eigentlich – denn wozu dann eine aus öffentlichen Mitteln finanzierte App, wenn sie anschließend nur von einem geringen Teil der Bevölkerung genutzt wird?
  • Während wir uns in Deutschland nicht zu fein sind Ausgangssperren zu verhängen, das kulturelle und kulinarische Leben komplett herunterzufahren und Menschen in ihrer Reise- und Bewegungsfreiheit zu determinieren, existiert keine Verpflichtung zur Nutzung der offiziellen Corona-Warn-App – und zwar weder für Privatpersonen noch für Testzentren. Ganz im Gegenteil teilte man mir im Testzentrum des Landkreises Neu-Ulm in Weißenhorn auf Nachfrage mit, dass die App doch freiwillig sei und deshalb die Übermittlung der Ergebnisse nicht über die App unterstützt würde. Schade eigentlich – denn wozu dann eine aus öffentlichen Mitteln finanzierte App, wenn sie nicht von allen öffentlichen Stellen unterstützt wird?
  • War die App zwar schon teuer in der Entwicklung, ist sie auch nicht günstiger in der Wartung aus. Wenn die App in entsprechendem Umfang genutzt werden würde oder durch andere Weise an Nutzen gewinnen würde, wäre das aber verschmerzbar. In nunmehr bald einem Jahr kam als nennenswerte neue Kernfunktionalität nur ein manuell zu pflegendes Kontaktbuch dazu – wozu braucht es da überhaupt eine App dafür, wenn das Kontaktbuch nicht mal automatisiert befüllt wird? Doch darüber hinaus sei auch die Frage erlaubt, wieso die teure Technologie hinter der App nicht unlängst auch für Besuche von Restaurants und anderen öffentlichen Orten nutzbar gemacht wurde. Anstatt dessen werden andere Apps wie beispielsweise „Luca“ von öffentlichen Stellen propagiert, die den Bedarf weit frühzeitiger erkannt haben. Schade eigentlich – denn wozu dann eine aus öffentlichen Mitteln finanzierte App, wenn sich dann einzelne Bundesländer für privatwirtschaftliche Alternativen aussprechen?

Während China also durch verordnete Nutzung gleich mehrerer Corona-Apps den Weg aus der Krise geordnet zu meistern scheint, ist die Konfusion im föderal zersplitterten Deutschland noch immer groß. Einzelne Bundesländer entscheiden sich für Sonderwege nicht nur in puncto Lockdown, sondern empfehlen auch eigene Apps anstatt sich den Bundesinitiativen anzuschließen. Doch vor allem beschränkt sich auch die jüngste Bundesinitiative des „Lockdown-Gesetzes“ erneut auf die Möglichkeiten des Shutdowns der Wirtschaft und nicht auf digital-gestützte Möglichkeiten der Wiedereröffnung.

Vorschläge wie dieser sind nicht neu, doch werden sie erneut mit dem beantwortet, was schon den Start der Corona-Warn-App so schwer machte: German Angst und DSGVO. Es bleibt nun die Hoffnung, dass durch die nun angekündigte Funktionserweiterung der Corona-Warn-App die freiwillige Nutzung vielleicht doch noch erhöht wird und die Konfusion an unterschiedlichen Kontaktverfolgungsapps nicht ähnlich ausfällt wie bei den lokal unterschiedlichen Regelungen von Ausgangsbeschränkungen an Weihnachten 2020 oder Ostern 2021. Fraglich ist darüber hinaus, wer die App im anstehenden bundesweiten Lockdown überhaupt noch nutzt, wenn Geschäfte, Restaurants und das öffentliche Leben in Summe erstmals per Bundesgesetz zur Ruhe kommen. Schade eigentlich – denn wozu dann eine aus öffentlichen Mitteln finanzierte App, wenn man sie nicht dazu nutzt, dem Land einen Weg aus der Krise aufzuzeigen?

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