Macht vor Ehre

Dr. jur. Karl-Theodor zu Guttenberg. Eine nun sehr zweifelhafte Figur des politischen Lebens in Deutschland. Während sich Deutschland noch vor gut einer Woche in der schönen Vision sonnte, einen jungen und stets dynamischen Politiker als möglichen Neukanzler oder gar Bundespräsidenten in spe im Rückhalt zu haben, macht sich nun bei vielen Jungpolitikern eine traurige Enttäuschung breit. Der Mann, dessen professionell-sicheres Auftreten und seine forsche Art ihresgleichen suchen, ist binnen einer Woche gefallen wie ein Stern vom Himmel. Doch gerade hier wird nun sichtbar, wie ungleich und obskur die politischen Spielregeln oft ausgelegt werden.

Im Gegensatz zu unserem viel geschätzten Ex-Bundespräsidenten Horst Köhler, dem die Kanzlerin seinerzeit in einer für ihn schwierigen Situation scheinbar jegliche Rückendeckung versagte, darf sich der Blaublüter Guttenberg nun in der Sicherheit ihrer und anderer Parteigenossen Unterstützung wissen. Warum, frage ich mich? Parteimitglieder und andere Menschen mit unbequemer Meinung, die nicht populistisch und medientreu genug zu sein scheinen, werden bei der erstbesten Gelegenheit von der Partei verstoßen. Die eigenen Parteifreunde werden im Handumdrehen zu Feinden, wie man sie sich schlimmer nicht aus Oppositionskreisen wünschen könnte. Dies wurde ganz besonders deutlich bei Fällen wie dem von Martin Hohmann oder Erika Steinbach. Meinungen, die nicht der Medienöffentlichkeit entsprechen, müssen auch in Deutschlands letzter Volkspartei eliminiert und beseitigt werden. Wer hingegen mutmaßlich und besten Wissens und Gewissens Volk und Parteigenossen täuscht und belügt, sich selbst als etwas anderes verkauft als er tatsächlich ist und eigentlich kein Vertrauen mehr Wert ist – ein solcher Politiker ist den Rückhalt der Kanzlerin offenbar wie selbstverständlich wert.

Dabei steht zu Guttenberg bei Weitem nicht zum ersten Mal in der öffentlichen Kritik: Direkt zum Antritt seines Amtes als Verteidigungsminister entließ er zwei der höchsten und dienstältesten Mitarbeiter seines Ministeriums. Neben dem altgedienten Generalinspekteur Schneiderhahn musste auch ein weiterer Staatssekretär den Stuhl räumen, da zu Guttenberg ihnen die Verantwortung für die schlechte Informationspolitik bzgl. des Bombardements eines Tanklastzugs in Afghanistan übertrug, um damit selbst wieder mit reiner Weste dazustehen. Erst vor einem Monat dann die nächste große Entlassung: Der Kapitän des Segelschulschiffes der Bundeswehr, „Gorch Fock“ wurde nach einigem Hin und Her vom Dienst suspendiert. In beiden Fällen ist es zu Guttenberg, der sich auf moralische Fehler anderer beruft, um selbst bestehen zu können. Sich selbst hingegen beurteilt der Verteidigungsminister scheinbar mit gänzlich anderen Maßstäben.

Die politischen Spielregeln scheinen letztendlich sogar wissenschaftliche und strafrechtliche Immunität zu verleihen. Als Verteidigungsminister steht Herr zu Guttenberg nicht nur den Streitkräften vor, von denen stets höchste Disziplin und Korrektheit erwartet wird, sondern er ist gleichzeitig Dienstherr zweier Bundeswehr-Universitäten im Land. Dass er selbst dabei die Grundprinzipien von Wissenschaft und militärischer Würde mit Füßen tritt, kann getrost vernachlässigt werden. Soldaten oder Studenten an einer der beiden Bundeswehr-Universitäten die bei ähnlichen Vergehen überführt werden, würden nicht allein den Doktorgrad aberkannt bekommen, sondern müssten gleichzeitig mit disziplinarischen Verfahren rechnen, während der höchste Kopf der Streitkräfte zunächst eine Woche lang versucht die Nation an der Nase herum zu führen und sich fast jeden Tag eine neue Geschichte überlegt, die er den Medien auftischen könnte.

Selbst nach diversen Interviews, Aussprachen und „Kundgebungen“ bleiben immernoch Fragen offen und es mehren sich die Vorwürfe, dass sie die Skandalträchtigkeit des Ministers fast auf Rekordhöhe treiben. Das Vorbild für junge Politiker und Soldaten scheint nicht nur bei der Doktorarbeit betrogen, sondern scheinbar auch den Doktortitel zwei Jahre zu unrecht geführt und den eigenen Lebenslauf mit Unwahrheiten beschönigt zu haben. Doch auch jetzt ist das noch kein Grund, ihm den Rücktritt nahe zu legen.

Für mich persönlich ist eine bedeutende und vielversprechende Person des öffentlichen Lebens verschwunden. In einer Zeit, in der Politikverdrossenheit aufgrund mangelndem Vertrauens in und zu großer Distanz zu Politikern sowieso schon überhand nimmt, hat sich ein weiterer Politcharakter offenbart, der bislang vorgespielte Werte und Moral im Zweifel lieber mit Füßen tritt, als an Macht einzubüßen. Dabei muss man sich nur an Margot Käßmann erinnern, um zu begreifen, wie falsch und töricht es ist, an diesem Verteidigungsminister festzuhalten.

Ein Gedanke zu „Macht vor Ehre“

  1. Es macht ihn, so paradox das erscheinen mag, auch irgendwie menschlicher. Ansonsten stimme ich dir absolut zu.

    Mich würde nur interessieren, was herauskommen würde, wenn die Arbeiten anderer Vertreter der Politik mal genauer unter die Lupe genommen würden…

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