Eigentlich hat dieser Blogeintrag schon kaum mehr etwas Innovatives. Denn er wird sich um dasselbe Thema drehen, das inzwischen auch von vielen Medien intensiv (siehe z.B. Beitrag im Cicero 9/12, Kinofilm Speed etc.) aufgegriffen wird: Um unser Leben im Zeitalter der Informationstechnologien des 21. Jahrhunderts. Unser Leben 2.0 also. Und um die Frage, wieso ein kleines Downgrade dieses Lebens eigentlich ein Upgrade ist.
Will man sich heute mit seinen Freunden unterhalten, bietet sich dazu fast eher ein Telefonat an als ein persönliches Treffen. Denn kaum sitzen alle an einem Tisch, taucht ein jeder in seine eigene Welt innerhalb seines Smartphones ab. SMS werden beantwortet, E-Mails werden gecheckt und Konversationen per WhatsApp werden gehalten. Und falls sich niemand zum Dialog finden lässt, bietet der Taschencomputer immer noch genügend Möglichkeiten: So findet sich am Kneipentisch beispielsweise endlich einmal die Gelegenheit in aller Ruhe die Nachrichten der Tagesschau-App zu lesen oder interessante Begriffe in Wikipedia zu studieren. Zum guten Ton gehört auf jeden Fall alle Freunde und Bekannte per Facebook, FourSquare und möglichst noch Google Latitude über den aktuellen Standort zu informieren und dabei auch die stummen Beisitzer am Tisch zu taggen, die gerade ebenfalls emsig mit ihren Fingern über das kleine Stückchen Glas wischen, was sie tagtäglich möglichst jede Minute auf Lendenhöhe mit sich herumtragen. Hätte man ein Telefonat (natürlich per Smartphone, wer hat denn überhaupt noch Festnetz?!) geführt, wären zumindest all diese Ablenkungsgefahren für beide Gesprächspartner von vorneherein eliminiert.
Aber woher kommt es, dass wir uns unserem kleinen elektronischen Freund so verbunden fühlen? Woher kommen die reflexartigen Griffe in die Hosentasche, wenn man gerade einmal nichts zu tun hat, nicht beschäftigt wird? Und sei es nur während des Tankens an der Zapfsäule (alles schon gesehen), dem Warten auf den Zug oder das Essen – es ist einfach nur Gewöhnung, sich mit diesem kleinen Gerät zu beschäftigen. Je mehr Aufgaben man dem digitalen Helfer überträgt (und damit anderen Dingen oder Geräten entzieht), desto mehr Zeit verbringen wir damit. Und desto weniger sind wir gewillt, unseren Smartphone-Konsum einzuschränken. Man braucht bereits seit dem massenhaften Aufkommen von gewöhnlichen Handys (sog. Nokia-Zeitalter) keine Armbanduhr oder einen Wecker mehr, denn das kann nun das Handy. Seit dem Smartphone kann man nun auch auf Navigationsgerät, Kamera, Kalender oder gar einen Gameboy verzichten. Sogar Bücher lassen sich rein theoretisch auf den kleinen digitalen Helfer übertragen und sogar ganze Computer lassen sich per Smartphone steuern. Wen wundert es da noch, dass wir schon in die Hose greifen, obwohl wir gar nicht wissen warum? Mit irgendwas wird sich die Zeit schon vertreiben lassen, sobald man das Gerät in Händen hält.
Im Büro ist die Situation kaum anders. Wer heute noch konzentriert an einer Sache arbeiten will, muss sich selbst am Riemen reißen: Denn solange das E-Mail-Programm am Rechner geöffnet ist und entsprechend akustische oder optische Signale beim Eingang einer E-Mail ergehen, ist die Konzentration auf das, was gerade wesentlich ist, schnell passé. Aber damit nicht genug: Natürlich gibt es da noch das gute alte Telefon (natürlich kein Festnetz, sondern VoIP!) und selbstverständlich ist auch hier das Smartphone mit dabei. Wie ein Arbeitsalltag dann bei Leuten aussehen muss, die zusätzlich zu all diesen Kommunikationskanälen noch dem munteren Treiben auf sozialen Netzwerken auf einem separaten Tab folgen, mag ich mir gar nicht vorzustellen. Spätestens beim nächsten Rechercheauftrag im Netz lauern aber auch für alle Facebook-aversen Arbeitskräfte genügend Informationsströme, die einen von der Arbeit abdriften und dann beim Schließen des Browsers nach 10, 20 oder 30 Minuten die Frage aufkommen lassen: „Was wollte ich denn nun eigentlich im Internet?!“
Ich denke, es ist an der Zeit umzudenken, Kontrolle wiederzuerlangen, die wir längst verloren haben. Noch vor einem Jahr ging mein erster Blick – wie jeden Morgen – auf das Display meines iPhones, welches mich mit Trommelwirbel in den Tag begrüßte. Kaum 10 Sekunden wach, wurde ich dabei direkt über die E-Mails informiert, die über Nacht eingelaufen sind. Heute stelle ich fest, wie sanft ein Radiowecker wecken kann und wie praktisch es ist, E-Mails zu definierten Zeiten abzurufen und abzuarbeiten, um sich danach wieder dem Alltagsgeschäft zu widmen. 3x E-Mails abrufen pro Tag, per PC und nur im Notfall per Smartphone. Eine simple Regel, die einem so viel mehr Zeit für wesentliche Arbeitsaufgaben lässt. Und wieso das Smartphone nicht einfach mal zu Hause oder im Büro liegen lassen? Zum Beispiel beim Spaziergang, im Fitnessstudio oder zum Treffen mit Freunden. Nicht erreichbar zu sein ist doch ein wahrer Luxus.
Wie ich eingangs bereits ankündigte: Dieser Blogeintrag ist sicher nicht weltbewegend, denn die Problematik ist uns längst bekannt. Niemand soll und muss sich ganz von all dem Komfort verabschieden, den uns das Internet und mit seinen nun zahlreichen Zugriffspunkten geschaffen hat. Doch zumindest können wir uns das Beste heraussuchen, das Beste aus beiden Welten – der realen und der digitalen Welt. Leben 1.5 vielleicht.